Donnerstag, 8. Oktober 2015

„Die Ballade von der gebrochenen Nase“ von Arne Svingen

Schockverliebung.

Ich sage ja immer, Kinderbücher können so tiefgründig sein! Diejenigen meiner „erwachsenen“ Freunde, die seit ihrer „Hanni und Nanni“- oder „Burg Schreckenstein“-Zeit kein Kinderbuch mehr gelesen haben, nicken da oft mit kaum verholenem Mitleid und mühsam hochgezogenen Mundwinkeln. Aber hey – what the heck! Ihr verpasst was! :)

Erst gestern lief mir wieder so ein außerordentliches Exemplar von Kinder-, fast schon Jugendbuch zu. Ganz, ganz neu; offizielles Erscheinungsdatum ist heute. Und dieses Buch möchte ich euch hier vorstellen und innig ans Herz legen. Mich hat es jedenfalls genau mittenrein getroffen.


Darum geht es:

Da ist Bart Narum aus Oslo. Zu Beginn der Geschichte 12 Jahre alt, nicht besonders glücklich mit seinem Vornamen. Und nicht besonders glücklich damit, dass er brav ins Boxtraining tappt, weil seine Mutter meint, es sei gut, wenn er sich mal verteidigen könne. Nur leider ist Bart so friedliebend, dass er einfach nicht zurückschlagen kann. Und immer nur einstecken … nicht so cool.

Noch viel uncooler ist allerdings seine wahre Leidenschaft. Singen. Aber nicht Rap oder Rock. Sondern … Opern! Davon darf auf keinen Fall jemand wissen. Außer seiner Mutter. Die kommt nicht umhin zuzuhören, wenn Bart hinter verschlossener Klotüre singt. Nur dort kann er es wirklich richtig gut. Sind Zuschauer dabei – keine Chance auf einen geraden Ton.

Nun ist das Schöne an dieser Geschichte, dass sie auf zwei Ebenen spielt. Die eine ist die vordergründige Handlung. Da könnte man erzählen, wie Bart sich seiner Nebensitzerin in der Schule, der kessen Ada, hingezogen fühlt – „eines der drei nettesten Mädchen der Klasse“. Ada, die aus gutem Hause stammt und die vieles weiß und kann. Nur eines kann sie nicht: Geheimnisse bewahren. Und so weiß die ganze Schule von Barts Operngesangsleidenschaft, nur einen Tag, nachdem er ihr davon erzählt und ihr eine CD mit seinem Gesang gegeben hat (vor Publikum kann er ja nicht singen). Natürlich nahm er ihr das Versprechen ab, es nicht weiterzuerzählen … Pustekuchen. Aber irgendwie kann er es ihr nicht einmal übelnehmen.

Wie es mit dem Singen weitergeht, das zieht sich als roter Faden durch die Geschichte: von dem Moment, an dem der Leser von Barts heimlichen Hobby erfährt bis zu dem Tag, an dem er als Abschluss-Act auf dem Schulfest singen soll. Da passieren viele spannende und unerwartete Dinge, bei denen immer auch Ada ihre Finger und ihr cleveres Köpfchen im Spiel hat.

Und parallel dazu wird die Geschichte erzählt, wie Barts Leben sozusagen hinter den Kulissen aussieht. Das ist nicht nur nicht so schön, sondern ziemlich schrecklich. Herzensgute zwölfjährige Jungs wie Bart sollte nicht täglich konfrontiert sein mit sozialen Schieflagen wie Vernachlässigung, Armut, Alkohol und Drogenabhängigkeit.
Hätte Ada nicht auch herumerzählt, was sie bei einem unangemeldeten Besuch bei Bart und seiner Mutter gesehen hat, hätte keiner seiner Mitschüler etwas davon geahnt.

Dennoch – am Ende hilft Ada mit, dass Bart über sich hinauswächst und es allen zeigt. Nicht mal die gebrochene Nase kann ihn davon abhalten, sich einer ganz großen Herausforderung zu stellen. Und in seinem Familienleben … da wird es auch Veränderungen geben.


Lese(t)räumchen meint:


Es gibt ja Figuren in Büchern, die man sofort ins Herz schließt. Bart ist so einer. Schockverliebung eben.

Für mich ganz nahe an meinen absoluten Lieblingen Rico und Oskar von Andreas Steinhöfel. Und irgendwie haben diese Jungs auch etwas gemeinsam: Bart ist ein bisschen Rico (empathisch, immer zuversichtlich, lebt allein mit seiner Mutter in sozial schwachen Verhältnissen) und ein bisschen Oskar (hinterfragt alles, ist still und bleibt am liebsten im Hintergrund).
Auch die Art, wie Bart sein Leben als Ich-Erzähler betrachtet, es unsentimental und mit trockenem Humor kommentiert, hat was von Rico, dem schlauen Tiefbegabten aus der Dieffe 93. 

Und woran mich das Buch außerdem in einem Aspekt erinnert hat: An Erich Kästners „Pünktchen und Anton“. Hier wie da entstammt das zentrale Freundespaar zwei völlig unterschiedlichen familiären und sozialen Umfeldern.

Aber „Die Ballade von der gebrochenen Nase“ ist ein ganz eigenständiges und einzigartiges Buch. Und da ist so viel, was „backstage“ in Barts Leben abgeht, dass es unglaublich ist, wie virtuos der norwegische Autor Arne Svingen dies alles in einem nicht mal so dicken Buch untergebracht hat – und wie vor allem diese Geschichte niemals schwermütig oder deprimierend ist.

Von Bart können wir alle noch etwas lernen. Denn er gibt nie die Zuversicht auf, dass jeder Tag vielleicht doch noch der großartigste seines Lebens werden könnte. Der Tag, an dem sich alles zum Besten wenden wird. Und man glaubt es selbst und hofft es für ihn.

Fazit: 

Mitten aus dem Leben, mitten rein ins Herz.


Steckbrief

„Die Ballade von der gebrochenen Nase“ von Arne Svingen

Umfang: 189 Seiten
Preis: 12,99 €
Verlag: Boje
Erscheinungsdatum: 8. Oktober 2015
Altersempfehlung des Verlags: ab 12. Aber ich denke, mit 10 oder 11 geht das auch schon!

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